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Lukas Irmler ist sportlich auf der Höhe. Der Bayer bricht auf der Highline einen Weltrekord nach dem anderen. Seine Philosophie: Nur an den nächsten Schritt denken.
Die Füße tasten sich über ein 25 Millimeter schmales und 430 Meter langes Polyesterband. Darunter klafft ein Höllenschlund, aus dem Schwefeldämpfe aufsteigen. Über dem Vulkan El Misti in Peru trennen Lukas Irmler etwa 200 Meter von einem Krater voll brodelnder Lava. Zwischen Felsen, 5721 Meter über dem Meeresspiegel, ist die Highline aufgespannt. Am Ende steht ein neuer Höhenrekord. Das war im November 2017. Zuvor hatte der wagemutige Extremsportler in der gigantischen Höhle Gouffre Berger auf einer Highline 500 Meter unter der Erde einen Tiefenrekord aufgestellt. Im letzten Frühjahr balancierte er knapp tausend Meter weit über einen Canyon in Russland – mit verbundenen Augen. Die mit zwei Kilometern bisher längste Highline auf dem Globus bezwang er im vergangenen Sommer in Kanada.
Superlative gehören zum Dasein des gebürtigen Freisingers. In rund 40 Ländern auf sechs Kontinenten hat Irmler bereits über natürlichen und urbanen Abgründen Trittsicherheit bewiesen. Den Ehrentitel „Luke Skywalker“ trägt er, seit ihm 2013 der so benannte Kopfsprung an der Sicherheitsleine unter dem Seil hindurch und zurück in den Stand gelang. Das Kunststück galt bis zu diesem Zeitpunkt als undurchführbar. Die Faszination der Slackline (zu Deutsch: „Schlaffes Band“), die in großen Höhen Highline genannt wird, entdeckte er 2006. Und nahm den Kampf gegen sich selbst auf. „Höhenangst ist in jedem Menschen genetisch angelegt, da sie schlicht eine reale Gefahr signalisiert“, erklärt der Profi. Während der ersten drei Jahre seiner Karriere hätten ihn häufig Panikattacken überfallen. Damals sei das Ankommen auf der anderen Seite der schönste Moment gewesen. Längst jedoch ist für den 30-Jährigen der Weg das Ziel geworden und eine Leidenschaft zum Beruf. Wenn er gerade keine Rekorde bricht, reist der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Chemiker um den Erdball. Seine artistischen Leistungen werden als Show-Acts gebucht und bei Vortragsveranstaltungen spricht er darüber, warum das ganze Leben ein Seiltanz ist. „Tue jeden Tag etwas, wovor du dich fürchtest“ steht auf seiner Internetseite zu lesen.
„Tue jeden Tag
etwas, wovor du
dich fürchtest“
„Balance halten ist im übertragenen Sinn etwas sehr Alltägliches, denn es geht dabei stets nur um den nächsten Schritt“, analysiert Irmler. Die meisten Menschen hätten keinen Bezug mehr zum Hier und Jetzt: „Sie bewegen sich gedanklich in der Zukunft oder in der Vergangenheit, anstatt sich auf den Moment zu fokussieren. Das klingt banal, ist aber entscheidend für viele Handlungen.“ Beim ersten Schritt auf einer Highline sei das Ziel mit bloßen Augen oft kaum zu erkennen: „Da ist man angesichts der Größe der Aufgabe natürlich überfordert und verunsichert. Dazu kommen plötzliche Windböen, die die Line in unvorhersehbare Schwingungen bringen. Man muss sich also auf das Einzige konzentrieren, was man wirklich im Griff hat und das ist der nächste Schritt. Genau so verhält sich das im täglichen Leben.“
„Schenken Sie sich
eine Minute lang
selbst ein Lächeln.“
Ist das nicht leichter gesagt als getan? Wie fängt man sich selbst ein, in den Stress-Momenten, die heutzutage immer mehr Menschen allzu gut kennen? „Konzentrieren Sie sich intensiv auf ein paar tiefe Atemzüge, das bringt schon einiges“, lautet der Rat des Himmelsstürmers. „Und schenken Sie sich eine Minute lang selbst ein Lächeln. Dadurch werden körpereigene Glückshormone ausgeschüttet und Sie fühlen sich wohler. Genau mit diesen Techniken entspanne ich mich auf der Line und das funktioniert in Alltagssituationen ebenso.“
Doch ein bisschen mehr gehört schon dazu, einer der erfolgreichsten Slackliner der Welt zu werden. „Wenn ich eine Idee für mich als wichtig und richtig erkenne, dann bin ich auch recht leidensfähig und gebe 120 Prozent, um sie umzusetzen“, gesteht Irmler, „anfängliches Scheitern und Widerstände bestärken mich nur.“
Hier erfahren Sie weiteres zum Programm der Ulmer Denkanstöße.