Für Frauen: in sechs Schritten zur finanziellen Unabhängigkeit
Vermögensaufbau für Frauen: Wir sprechen über Geld Haben Sie einen... [...]
Der Drucker druckt nicht mehr? Weg damit. Die elektrische Zahnbürste verweigert den Dienst? Und tschüss. Das Tretauto hat ein Rad ab? Möge es friedlich im Spielzeughimmel ruhen. Wegschmeißen ist in Deutschland (und nicht nur hier) ein trauriger Volkssport. Gemäß dem Global E-Waste Monitor kamen 2019 in unserem Land pro Kopf allein 19,4 Kilogramm Elektroschrott zusammen. Überboten wurden wir dabei von den Brit*innen (23,9 Kilogramm), den Japaner*innen (20,4 Kilogramm) sowie den Französ*innen und US-Bürger*innen (je 21 Kilogramm). Mit 7,2 Kilogramm pro Einwohner*in steht China in diesem Ranking vergleichsweise vorbildlich da.
Auch wenn inzwischen viel Wohlstandsmüll dem Recycling zugeführt wird, ist die Bilanz für unseren Planeten bedrohlich. Seit einigen Jahren regt sich nun weltweit ein beharrlich wachsender Widerstand. Bewaffnet mit Schraubenzieher, Zange, Lötkolben, Klebstoff, Nadel und Faden kämpfen die Bürger zahlreicher Nationen gegen die Wegwerfmentalität. Unter Namen wie Repair-Café, Reparatur-Initiative, ReparierBar, Kaffee Kaputt oder ZAMschrauben laden in Deutschland die unerschrockenen Helden der Haltbarkeit zu einem fast vergessenen Brauchtum ein: defekte Alltagsgegenstände mit eigener Hände Fleiß wieder instand zu setzen.
Mehr als 850 kleine Oasen des Heilemachens sind auf der Internetseite reparatur-initiativen.de aufgelistet. Und das sind längst nicht alle. „Wir gehen davon aus, dass es in Deutschland mittlerweile rund 1.500 privat oder kommunal organisierte Reparaturangebote gibt“, schätzt Linn Quante von der Stiftung Anstiftung. „Als wir angefangen haben, gab es bundesweit nur etwa 40 solcher Einrichtungen.“ Seit 2014 hat es sich die gemeinnützige Organisation zur Aufgabe gemacht, entsprechende Gruppen, Projekte und Vereine zu vernetzen, den fachlichen Wissensaustausch zu fördern und Hilfestellungen bei Neugründungen zu leisten. Den Anstoß gab 2009 die Niederländerin Martine Postma. Die Journalistin eröffnete damals in Amsterdam das erste Repair-Café. Ihre Idee verbreitete sich rund um den Globus. „Nichtkommerzielle, Offene Werkstätten gab es schon vorher, aber Martine Postma hat einen Trend ausgelöst, der für viele Menschen anschlussfähig war“, erklärt Linn Quante. „Kaum jemand fühlt sich gut dabei, Sachen, die wahrscheinlich repariert werden könnten, einfach wegzuwerfen. Aber das Wissen, wie man eine Reparatur überhaupt anpackt, ist in unserer Konsumgesellschaft weniger geworden.“
Genau dieses Wissen wird in den Reparatur-Cafés wieder verbreitet. Im Idealfall unterstützt der Reparaturhelfer*in den Gast beim Reparieren. „Bei manchen Gegenständen geht das natürlich nicht. Doch dann lernen die Leute eben durch das Zuschauen“, beschreibt Linn Quante, wie die Hilfe zur Selbsthilfe in der Praxis geleistet wird.
Laut Statistik von reparatur-initiativen.de machen elektrische Geräte aller Art, Unterhaltungselektronik, Computer und Handys den Löwenanteil der „Patient*innen“ aus. „Es ist längst nicht mehr die Regel, dass man etwa eine Playstation oder einen Toaster aufmacht und reinschaut, wenn sie nicht mehr funktionieren“, weiß Linn Quante. „Elektrisch betriebene Geräte sind heutzutage ja meist so gestaltet, dass sie für den Lai*innen völlig unzugänglich wirken.“ In solchen Fällen leisten die Reparatur-Cafés eine Menge Aufklärungsarbeit. Das Innenleben von Föns, Bügeleisen, Kaffeemaschinen, Smartphones, Digitalkameras, Druckern und Co. wird mutig offen gelegt. Ebenso, aber seltener, landen Textilien, Fahrräder, Möbel oder Schmuck dort an.
Wie das Team von reparatur-initiativen.de festgestellt hat, sind es häufig ältere Personen, die ehrenamtlich Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. „Sie haben noch eine Zeit erlebt, in der das Reparieren der Normalfall war, und haben zu Hause ohnehin ihre Heimwerkstatt in der Garage oder im Hobbykeller“, sagt Linn Quante. „In den Reparatur-Cafés wird auf einmal sichtbar, wie viel Wissen und Tüftelkunst da verborgen war. Jeder bringt seine individuellen Fähigkeiten ein, alle lernen voneinander.“ Das „Café“ im Namen hat übrigens tatsächlich gastronomische Bedeutung. Fast immer stehen außer Werkzeugkisten auch selbst gebackener Kuchen und frisch gebrühte Heißgetränke auf dem Tisch. „Die soziale Gemeinschaft ist Initiatoren und Besuchern enorm wichtig“, betont Linn Quante. Was die Besitzer*innen wiederauferstandener Schätze rasch feststellen: Geräte und andere Alltagsgegenstände, an deren Errettung man selbst mitgewirkt hat, nutzt man fortan mit erheblich größerer Wertschätzung, als hätte man sie einfach neu gekauft. Denn das kann ja schließlich jeder.
Die Stiftung Anstiftung fördert, vernetzt und erforscht Räume und Netzwerke des Selbermachens. Dazu gehören interkulturelle und urbane Gärten, Offene Werkstätten, Reparatur-Initiativen, Open-Source-Projekte, Initiativen zur Belebung von Nachbarschaften und Interventionen im öffentlichen Raum.
Mehr als hundert Reparatur-Cafés in Baden-Württemberg sind auf der Internetseite reparatur-initiativen.de gelistet. Ebenfalls in allen Kreisen des Bundeslands fündig wird man im mehrsprachigen Pool repaircafe.org/de des niederländischen Netzwerks „Stichting Repair Café“. Mindestens 16 dieser hilfreichen Einrichtungen sind allein im Raum Stuttgart entstanden. Aber auch in nahezu allen ländlichen Regionen verwandeln kundige Hände „alt und futsch“ kostenlos wieder in „so gut wie neu“.
Sollte nun ausgerechnet in Ihrer Umgebung noch ein weißer Fleck sein, dann gründen Sie doch einfach selbst. Gute Tipps und tatkräftige Hilfe gibt es dabei von Linn Quante und ihren Kolleginnen und Kollegen. „Kommunen, Familienbildungsstätten oder Kirchengemeinden sind erfahrungsgemäß oft bereit, einen kostenlosen Raum zur Verfügung zu stellen“, kann sie berichten. Die Finanzierung werde über Spenden sichergestellt, die dankbare Gäste hinterlassen.